Meta unter Druck: Glücksspielkritik versus Glücksspielwerbung
In der digitalen Welt, in der Werbeanzeigen innerhalb von Sekunden geschaltet und Nutzer zielgenau erreicht werden können, steht Meta zunehmend in der Kritik. Der Facebook- und Instagram-Konzern muss sich erneut schweren Vorwürfen stellen, diesmal aus dem Bereich des Daten- und Verbraucherschutzes. Eine neue Untersuchung der britischen Organisation Open Rights Group (ORG) legt nahe, dass Meta Informationskampagnen über Glücksspielsucht strenger behandelt als Werbung für das Glücksspiel selbst. Diese Diskrepanz hat weitreichende Folgen und wirft Fragen zur ethischen Verantwortung eines der größten Werbeunternehmen der Welt auf.
Der Bericht der Open Rights Group beleuchtet eine bedenkliche Praxis. Während Werbeanzeigen von lizenzierten und auch zweifelhaften Glücksspielanbietern auf Facebook und Instagram meist ohne größere Einschränkungen genehmigt werden, stoßen Kampagnen mit dem Ziel der Aufklärung und Prävention auf erhebliche Hürden. Mehrere Organisationen, die auf soziale Risiken wie Spielsucht oder die Gefährdung junger Menschen hinweisen möchten, berichteten, dass ihre Inhalte von Meta abgelehnt, verzögert oder eingeschränkt worden seien. Die Begründung war häufig, sie seien politisch sensibel oder enthielten kontroverse Themen.
„Es ist ein gefährlicher Doppelstandard, wenn Suchtrisiken schwieriger zu bewerben sind als das Risiko selbst“, heißt es in der Stellungnahme der ORG.
Die Kritik trifft Meta zu einem Zeitpunkt, an dem weltweit Regulierungsbehörden das Verhalten digitaler Plattformen genauer unter die Lupe nehmen. In Italien, Belgien und Rumänien wurden bereits Bußgelder gegen Meta verhängt, weil Glücksspielwerbung ausgespielt wurde, obwohl sie laut nationaler Gesetzgebung nicht erlaubt war. In Indien hat Meta im Mai 2025 auf politischen Druck hin neue Werberichtlinien eingeführt. Glücksspielanbieter müssen nun eine Vorabprüfung durchlaufen und ihre Lizenzen offenlegen. In der Europäischen Union prüft die Kommission derzeit, ob das Verhalten von Meta gegenüber Minderjährigen gegen geltendes Recht verstößt.
Ungleichgewicht in der Werbepolitik
Die Open Rights Group dokumentierte, dass Anzeigen mit Slogans wie „Wie erkenne ich Spielsucht“ oder „Hilfe für Angehörige von Spielsüchtigen“ oft abgelehnt wurden. Gleichzeitig liefen auf denselben Plattformen Werbeanzeigen für Online-Casinos, Sportwettenanbieter und Slotspiele völlig ungehindert. Besonders problematisch ist, dass diese Werbung oft gezielt junge Erwachsene anspricht. Diese Form der Priorisierung wirft ernste Fragen auf. Warum wird eine Suchtpräventionsanzeige restriktiver geprüft als ein direkter Aufruf zum Glücksspiel? Und wie kann ein Technologieunternehmen mit Milliardenreichweite solche inhaltlichen Bewertungen rechtfertigen?
Meta selbst äußerte sich bisher nur ausweichend zu den Vorwürfen. Man überprüfe Anzeigen mithilfe eines automatisierten Systems, das auf maschinellem Lernen basiert. Dabei könnten Fehler passieren. Die von der ORG vorgelegten Fälle zeigen jedoch ein systemisches Muster und keine Einzelfälle.
„Wenn ein Konzern wie Meta Einfluss auf den Informationsfluss zur Spielsucht nimmt, dann ist das nicht nur ein technisches Problem, sondern ein moralisches“, so ein Sprecher der britischen Gambling With Lives-Initiative.
Forderungen nach Regulierung und Transparenz
Immer mehr Stimmen fordern gesetzliche Klarstellungen. Verbraucherschützer plädieren für eine einheitliche Transparenzpflicht bei Werbeanzeigen, besonders bei sensiblen Themen wie Glücksspiel. Auch algorithmische Entscheidungsprozesse, zum Beispiel zur Ablehnung bestimmter Inhalte, sollen offengelegt werden. Die Open Rights Group schlägt ein öffentlich einsehbares Anzeigenregister vor. In diesem sollten genehmigte und abgelehnte Anzeigen samt Begründung transparent dokumentiert werden.
Die Debatte um Metas Verantwortung ist nicht nur eine Frage der Werbung. Es geht um die Machtverhältnisse im digitalen Raum, um den Einfluss auf gefährdete Gruppen und um die ethische Pflicht von Unternehmen, nicht allein wirtschaftlichen Interessen zu folgen. Die aktuellen Entwicklungen machen deutlich, dass Meta sich dieser Verantwortung nicht dauerhaft entziehen kann. Die Zeit der folgenlosen Intransparenz scheint vorbei zu sein.