Rumänien gegen Glücksspielwerbung auf Meta und Google
Die rumänische Aufsichtsbehörde für Glücksspiele, ONJN (Oficiul Național pentru Jocuri de Noroc), steht derzeit im Zentrum einer hitzigen öffentlichen und politischen Debatte. Nachdem bekannt wurde, dass in den Jahren 2019 bis 2023 hunderttausende Euro an Steuereinnahmen aus dem Online-Glücksspielsektor verschwanden, wächst der Druck auf die Behörde. Kritiker sprechen offen von einem Systemversagen, das nicht nur die nationale Kasse belastet, sondern auch das Vertrauen in die Integrität der Glücksspielaufsicht tief erschüttert hat.
Auslöser des Skandals ist ein Bericht des rumänischen Rechnungshofs, der schwerwiegende Versäumnisse im Kontrollsystem der ONJN belegt. Anbieter ohne gültige Lizenz konnten offenbar jahrelang am Markt agieren, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Auch Zahlungsverpflichtungen und Kontrollen von Auszahlungsströmen wurden vernachlässigt. Die Schätzung der entgangenen Steuereinnahmen reicht bis zu 1 Milliarde Euro.
Diese Enthüllungen haben die Opposition im rumänischen Parlament mobilisiert: Die USR (Uniunea Salvați România) beantragte nicht nur eine vollständige Untersuchung, sondern forderte auch strafrechtliche Konsequenzen für frühere ONJN-Verantwortliche.
Werbung auf Google und Meta im Visier
Gleichzeitig steht die ONJN wegen ihrer passiven Haltung gegenüber Glücksspielwerbung auf Plattformen wie Google, Meta und Facebook in der Kritik. Immer wieder tauchen Anzeigen nicht lizenzierter Anbieter im rumänischen Web auf. Oftmals gezielt auf vulnerable Gruppen wie Jugendliche oder Suchtgefährdete ausgerichtet. Die Behörde forderte nun öffentlich, dass Tech-Giganten wie Meta und Google illegale Glücksspielwerbung entfernen. Ob es eine Reaktion darauf gab, ist bislang nicht bekannt.
Die USR und weitere zivilgesellschaftliche Gruppen fordern ein vollständiges Verbot jeglicher Werbung für Online-Glücksspiel, unabhängig von der Lizenzierung. Sie verweisen auf Länder wie Spanien oder Italien, wo ähnliche Modelle bereits eingeführt wurden.
Neuer Präsident, neue Hoffnung?
Mitten in dieser Vertrauenskrise wurde im April Vlad-Cristian Soare als neuer Präsident der ONJN eingesetzt. Der studierte Jurist und Verwaltungsexperte soll die Behörde professionalisieren, politisch unabhängig machen und vor allem technologisch modernisieren.
Soare hat angekündigt, ein „policy-getriebenes, transparentes Modell“ der Glücksspielaufsicht etablieren zu wollen. Er plant, die internen IT-Systeme zu erneuern, Schnittstellen zu Finanzämtern und Betreibern zu schaffen und ein zentrales, nationales Selbstsperrsystem für gefährdete Spieler einzuführen.
Er betonte dabei, dass der derzeitige Zustand der Behörde das Ergebnis politischer Einflussnahme und fehlender Ressourcen sei. Umso wichtiger sei es nun, eine klare Trennung zwischen Regulierung und wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen.
Doch es geht längst nicht mehr nur um Personalfragen. Im Senat liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, der die ONJN vollständig auflösen und deren Aufgaben auf das rumänische Finanzministerium sowie die Steuerbehörde ANAF übertragen will. Ziel sei es, die Kontrollmechanismen zu zentralisieren, das Vollstreckungsrecht zu stärken und Korruptionsrisiken zu minimieren. Auch die Einführung einer Obergrenze für Spielerausgaben – 10 % des monatlichen Einkommens – wird aktuell debattiert.
Eine Mammutaufgabe mit offenem Ausgang
Die kommenden Monate dürften entscheidend werden. Die ONJN steht vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss nicht nur das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherstellen, sondern gleichzeitig die digitale Infrastruktur schaffen, um den Online-Glücksspielmarkt effektiv zu regulieren. Präsident Soare hat die richtigen Worte gefunden – doch ob die Taten folgen, bleibt abzuwarten. Die politische Unterstützung ist brüchig, die Erwartungen hoch, die Uhr tickt.
Eines ist klar: Sollte die Reform scheitern, könnte Rumänien vor einem regulatorischen Neustart stehen, mit tiefgreifenden Konsequenzen für Anbieter, Spieler und internationale Plattformen gleichermaßen.